Adventskonzert der Kantorei 16.12.2023

Erstellt am 01.12.2023
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Am Samstag, den 16.12.2023, findet das diejährige Adventskonzert der neu zusammengeführten Kantorei statt. Es beginnt um 18 Uhr bei freiem Eintritt in der Pauluskirche Hamm.

Ausführende:
Rebecca Engel und Takako Oishi · Sopran
Annika van Dyk · Alt
Burkhard Solle · Tenor
Georg Thauern · Bass
Kantorei der Ev. Kirchengemeinde Hamm
Kammerorchester der Pauluskirche
Leitung Kreiskantor Heiko Ittig

In diesem Konzert erklingt Musik, welche noch nicht in aktuel­len Editionen vorliegt. In der Bibliothek des Darmstädter Hofs sowie der Sächsischen Staats- und Universitätsbibliothek liegen nunmehr gut online erreichbare Digitalisate bisher unbekannter Kirchenkantaten vor, die hier durch Hans-Peter Glimpf und Heiko Ittig wieder in modernes Aufführungsmaterial umgesetzt wurden.

Die Kantate „Auf Zion, schreie Hosianna“ von Christoph Graupner (1683-1760) liegt in einer ersten Fassung aus dem Jahr 1729 vor; eine weitere Fassung wurde am 1. Advent 1753 aufgeführt. Die heute erklingende erste Fassung ist wurde im Textbuch „Gottheiliges Lippen-Opfer“ 1730 in Darmstadt ge­druckt. Offenbar wurden 1753 die rahmenden Sätze und auch die großen Arien wiederverwendet. Diese zweite Fassung wur­de bereits in der Einordnung in die Bibliothek miteinander ver­wechselt, wie durchgestrichene Bleistiftverweise mit beiden Daten auf der späteren Fassung beweisen. Die Texte stammen weitgehend vom protestantischen Pfarrer und Superintendenten Johann Conrad Lichtenberg (1689-1751). Der 4. Satz ent­stammt als 4. Strophe dem Chorals „Kommst du? Kommst du? Licht der Heiden!“ (1659) von Ernst Christoph Homburg: Die Conclusio der Kantate nutzt die beiden Psalmverse 126, 3 „Der Herr hat Großes an uns getan, des sind wir fröhlich.“ und 135, 21 „Gelobet sei der Herr auf Zion, Halleluja.“

Als im Juli 1709 die erste Kantate von Christoph Graupner ("Süßer Tod") in Darmstadt im Rahmen eines sonntäglichen Gottesdienstes erklang, ahnte der Komponist selbst vermutlich am wenigsten, dass er bis an sein Lebensende (51 Jahre später!) in Diensten der Darmstädter Landgrafen bleiben und die kleine Residenz im Südhessischen nicht mehr verlassen sollte. Wohl zu Beginn des Jahres 1709 war es zur Vertragsunterzeichnung mit seinem neuen Dienstherrn gekommen, und Graupner be­gann seine Tätigkeit in Darmstadt zunächst als Vize-Kapell­meister unter dem noch amtierenden Wolfgang Carl Briegel.

Erst 1711 rückte Graupner an die Spitze der Hofkapelle; fortan war er der Hauptverantwortliche für die Musik am Darmstädter Hof. Landgraf Ernst Ludwig war in Hamburg auf den jungen Christoph Graupner aufmerksam geworden; dieser wirkte seit Herbst 1706 als Cembalist im Orchester des damals berühmten Opernhauses am Gänsemarkt. Daneben komponierte Graupner auch für die dortige Bühne eine Reihe von Opern. Nur der klei­nere Teil ist allerdings überliefert. Doch die Visionen, die der Darmstädter Landesherr angesichts der spektakulären Hambur­ger Aufführungen für seine eigene Residenz entwickelt haben mochte, stießen in der Realität der kleinen Residenz schon recht bald auf Widerstände. Nach einer vergleichsweise ambitionierten Anfangsphase wurden die Opernaufführungen immer weniger und 1719 schließlich ganz eingestellt. 1723 bot sich die Chance auf dauerhafte Rückkehr nach Sachsen, wo Graupner geboren wurde: Johann Kuhnau, lange Jahre Organist an der Thomaskirche und seit 1701 Tho­maskantor, war im Juni 1722 gestorben. Graupner hatte als Schüler der Thomasschule einst bei ihm Unterricht auf dem Clavier und in Komposition erhalten. Die Aussicht, Nachfolger des einstigen Lehrers werden zu können, mochte für Graupner ebenso ein Kriterium für seine Bewerbung gewesen sein wie die Tatsache, dass es sich nicht um irgendeine Kantorenstelle, sondern die der berühmten Thomaskirche in Leipzig handelte. Schließlich bleibt Graupner bis zu seinem Tode am Darmstäd­ter Hof.

Das Kantatenschaffen Georg Philipp Telemanns ist mit 1200 Kompositionen nahezu unüberschaubar. Neben vielen wohl dauerhaft verlorenen Werken sind aber im zugänglichen Be­stand alleine schon für die Kompositionen zu dem Lied „Nun komm, der Heiden Heiland“ viele Werke vorhanden, dazu ein in einer in Frankfurt und ein in Leipzig erhaltenes Autograph. Diese beiden Quellen differieren mehr als ausgang vermutet. Dabei ist die Frankfurter Quelle die ältere und stammt mutmaß­lich aus dem Jahr 1721. In der Tonart F-Dur geschrieben ist sie nicht näher bezeichnet mit Hörnern oder Clarini Piccoli besetzt. Die Leipziger Fassung stammt aus späterer unbekannter Zeit.

 

Der Eingangschor Friedrich Nicolaus Haueisens Kantate „Ma­chet die Tore weit“ vertont den 24. Psalm mit drei Trompeten, Pauken, Streicher und Chor in ungewohnt prächtiger Art und Weise. Während bei vielen anderen hochbarocken Kantaten­kompositionen des Textes der Charakter der kirchenjahreszeit­lichen Adventszeit als Bußzeit überwiegt, kommt hier schon ein ganz weihnachtlicher Glanz und Festfreude zum Ausdruck. Sicher steht Haueisens Tätigkeit als Organist einer reformierten Gemeinde Frankfurts im Hintergrund, aber auch der Umstand, dass er sich in der Wende zum 19. Jahrhundert der Auflösung alter kirchlicher Traditionen gegenübersieht. In der stärker durch den Rationalismus geprägten Zeit erscheint offenbar das Motiv der verinnerlichten Vorbereitungszeit auf das weih­nachtliche Hochfest bereits einer als einheitlichen „Weih­nachtszeit“ gewichen zu sein, wie wir es auch heute noch ken­nen. Die noch barock anmutende Dreiklangsmotivik der Bläser und Tonleitergirlanden der Streicher werden schon bald durch einen höfisch anmutenden Zweiunddreißigstel-Punktierten-Rhythmus und Sechzehnteltriolen ergänzt. Die Faktur des Chorsatzes ist schon homophon mit nur gelegentlich motivisch gearbeiteten Imitationen und leicht angedeuteter Doppelchörig­keit. Die darauffolgende Sopranarie verwendet den frei nachge­dichteten Text eines unbekannten Librettisten der weiteren Psalmverse: „Willkommen, großmächtigster König der Ehren!“ und begrüßt den kommenden Heiland als „Schöpfer der Welt“ und „unüberwindlicher Held“. Hier zeigen sich die Hinwen­dung zu einer sich naturalistisch begründenden Theologie, wie es auch in Joseph Haydns Oratorium „Die Schöpfung“ deutlich wird. Ein Arioso des Alt bekennt die Hinwendung des Gläubi­gen zu Christus als „Verachtung der Welt“ und „Spüren des Edlen“ in einer stärker auf moralischer Läuterung hinzielenden Leistung des Glaubenden. Die abschließende Bitte, das himmli­sche „Hosianna“ singen zu dürfen greift die folgende Bassarie auf und lobt und preist Christus als „Gnadensonne“ und „Le­benslicht“. Der abschließende Choral „Lob sei dem allmächti­gen Gott“ nach der Luthers Melodie „Vom Himmel hoch“ be­schließt die Kantate. Im der Musik zeigt sich der Übergangsstil eines durch Johann Peter Kellner vermittelten galanten Stils, der sich hier schon weiter ausgeprägt in nahezu vorklassischem Ton darstellt – zugleich aber noch die alte mitteldeutsche Kom­positionsweise.